Freiburger Bodenkundliche Abhandlungen
Schriftenreihe des
Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Schriftleitung: F. Hädrich
Heft 17
Karl-Heinz Feger
Biogeochemische Untersuchungen an Gewässern im Schwarzwald unter besonderer Berücksichtigung atmogener Stoffeinträge
Freiburg im Breisgau 1986
ISSN 0344-2691
Zusammenfassung: Skandinavischen und
nordamerikanischen Untersuchungen zufolge sind in den vergangenen zwei
bis drei Dekaden zahlreiche Gewässer in Gebieten mit basenarmen
Ausgangsgesteinen und sauren Böden merklich saurer geworden und haben
teilweise ihre ehemaligen Fischbestände verloren. Für diese
Veränderungen werden hauptsächlich die gestiegenen Immissionen
verantwortlich gemacht. In Verbindung mit den aktuellen Waldschäden
wird gegenwärtig eine starke Beeinflussung von Oberflächengewässern
durch atmogene Stoffeinträge, insbesondere durch Säuren und
Schwermetalle, auch für Gewässer in mitteleuropäischen Waldlandschaften
diskutiert. Erste regionale Bearbeitungen fanden auch in den deutschen
Mittelgebirgen mit Böden aus basenarmen Ausgangsgesteinen teilweise
sehr tiefe pH-Werte in Oberflächengewässern. Es erhebt sich deshalb die
Frage, ob diese Gewässer durch anthropogene atmogene Stoffeinträge
versauert oder von Natur aus sauer sind. Es ist weiterhin zu fragen, ob
sich atmogen versauerte Gewässer durch einfache Modelle, wie sie in
Skandinavien entwickelt wurden, eindeutig identifizieren lassen.
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, den aktuellen Stoffumsatz
von vier ausgewählten Seen im Schwarzwald zu charakterisieren. Welche
aktuellen biogeochemischen Prozesse bestimmen die
physikalisch-chemische Beschaffenheit dieser Gewässer ? Sind direkte
Beeinflussungen durch den atmogenen Stoffeintrag feststellbar ? Anhand
der chemischen Zusammensetzung der Sedimente wird außerdem die
Möglichkeit einer chronologischen Rekonstruktion des Stoffeintrags
diskutiert.
Von Juni 1984 bis Juni 1985 wurden an vier Seen Messungen von
Stoffeintrag und -austrag sowie der Elementgehalte in datierten
Sedimentkernen durchgeführt. Feldsee, Blinder See bei Schonach, Wildsee
am Ruhestein und Herrenwieser See liegen in unbesiedelten und
überwiegend bewaldeten Einzugs-gebieten in den Hochlagen des
Schwarzwalds. Zuflüsse, Abflüsse und Niederschläge wurden untersucht
auf Leitfähigkeit, pH, Alkalinität, UV-Extinktion (?= 254 nm), Färbung
(? = 436 nm) , DOC, PO4-P, NH4+, Cl-, N03-, SO4-2, Na+, K*, Ca2+, Mg2+,
Al, Fe, Mn, Zn, Cu, Cd und Pb. Es wurden Ionenbilanzen errechnet sowie
Cluster- und Faktorenanalysen durchgeführt. Die Datierung der
Sedimentkerne erfolgte mittels der Isotopen 210Pb und 137Cs.
Die Jahresgänge der Konzentrationen in den Gewässern, insbesondere in
den Seezuflüssen, spiegeln die biogeochemischen Prozesse in den
Jeweiligen Einzugsgebieten der Seen wider. Die Taktorenanalyse
verdeutlicht starke Einflüsse von pedo-jenen Prozessen wie
Mineralisierung, Podsolierung und Verwitterung. Die pH-Werte in den
Gewässern sind in hohem Maße abhängig von den Bodentypen und der
Abflußbildung in den Einzugsgebieten. Lateraler oberflächennaher AbfluB
führt in abflußreichen Perioden besonders in den podsoligen und
teilweise stark staunassen Böden der Seeeinzugsgebiete im
Buntsandstein- Bordschwarzwald, Wildsee und Herrenwieser See, zu starken
pH-Absenkungen und höheren Konzentrationen der Metalle AI, Fe und Mn.
Hohe Konzentrationen potentiell toxischer Metalle, insbesondere
Aluminium, sind stets von entsprechend hohen Konzentrationen an
komplexierenden organischen Stoffen begleitet, sodaß ein großer Anteil
dieser Metalle offenbar komplex gebunden vorliegt. Dies hat
Konsequenzen für die ökotoxikologische Beurteilung der
Metallkonzentrationen, da nur ionare Spezies toxisch wirken. Die in den
Gewässern gemessenen Schwermetallkonzentrationen liegen im übrigen weit
unter den in der Trinkwasser Verordnung angegebenen Grenzwerten.
Mit Ausnahme des Blinden See spielen organische Anionen für die
Azidität jedoch keine Rolle. Es ist anzunehmen, daß vor allen die im
stark sauren Oberboden ausgetauschten Protonen die tiefen pH-Werte
zwischen 4.0 und 5.0 in den Buntsandstein- Gewässern bestimmen.
Die Konzentrationen der Anionen starker Säuren, Nitrat und Sulfat, werden hinsichtlich Niveau und
jahreszeitlichem Gang stark von den pedologlsch-geologischen,
hydrologischen und biologischen Bedingungen und Prozessen in den
Einzugsgebieten geprägt. Eine direkte Abhängigkeit vom atmogenen H- und
S-Eintrag ist nicht erkennbar. Deshalb erscheinen einfache chemische
Modelle, wie etwa die Summe (SO42- + NO3-) nicht geeignet, eine durch
anthropogene saure Deposition verursachte Gewässerversaue-rung
nachzuweisen. Die aktuelle chemische Zusammensetzung der Gewässer im
Feldseegebiet zeigt, soweit vergleichbar, keine Veränderungen gegenüber
den Verhältnissen zu Beginn der fünfziger Jahre. Veränderungen der
chemischen Zusammensetzung von Wildsee und Herrenwieser See, wie sie in
anderen Untersuchungen durch Diatomeenanalysen in den Seesedimenten
dokumentiert wurden, sind vor allem auf die jüngste
Wald-nutzungsgeschichte zurückzuführen.
Die Einträge über den Niederschlag sind gering im Vergleich zu anderen
Gebieten Mitteleuropas und unterscheiden sich für die vier
Untersuchungsräume nur geringfügig. Auch die Jahresgänge der
Konzentrationen im Niederschlag sind für alle vier Gebiete sehr
ähnlich. Direkte atmogene Stoffeinträge über die Seeoberfläche sind für
die meisten Gebiete und Stoffe gegenüber Einträgen aus den
Einzugsgebieten nur von untergeordneter Bedeutung. Diese wiederum sind
stark abhängig von den pedologisch-geologischen, hydrologischen und
biologischen Bedingungen und Prozessen innerhalb der jeweiligen
Einzugsgebiete. Die Retention in den Seen ist aufgrund der kurzen
Wassererneuerungszeiten der Seen für die meisten Stoffe gering. Die
Schwermetalle werden zwar am stärksten in den Seen zurückgehalten,
zeigen jedoch im Vergleich zu anderen Seen nur verhältnismäßig geringe
Retentionen. Dies dürfte besonders durch die tiefen pH-Werte und die
hohen Konzentrationen komplexierend wirkender organischer Stoffe
bedingt sein.
Die Datierung der Sedimentkerne mit 2'°Pb und 13'Cs läßt sehr geringe
Sedimentationsraten erkennen. So beträgt die Sedimentationsrate im
Herrenwieser See in der Schicht 1-2 cm 12 m.a-1, in tieferen Schichten
verdichtungsbedingt Jedoch im Mittel nur noch 0.4 mm. a-1. Die
isotopenchemische Datierung wird an diesem See zusätzlich durch eine
durch Wegebaumaßnahmen bedingte Zeitmarke gestützt. Die chemische
Zusammensetzung der Sedimente wird stark durch die
minera-logisch-petrographische Beschaffenheit der Seeeinzugsgebiete
bestimmt. Besonders für die Schwermetalle und Schwefel ergeben sich
deutliche Anreicherungen in den jüngsten Sedimentlagen. Der Anstieg der
Schwermetallgehalte beginnt In allen Kernen trotz stark
unterschiedlicher "Background"-Gehalte einheitlich im letzten Viertel
des 19. Jahrhunderts. Ein Vergleich der aktuellen Stoffretention der
Seen mit den aus den oberflächennahen datierten Sedimenten errechneten
Sediment-Influx-Raten ergibt für die Schwermetalle und Schwefel eine
gute Übereinstimmung. Für die Interpretation der
Elementtiefenfunktionen in den Sedimenten sind neben der
Depositionsgeschichte jedoch auch postsedimentäre Verlagerungsprozesse,
wie sie besonders für Eisen, Mangan und Schwefel ausgeprägt sind, zu
berücksichtigen. Änderungen im Tiefenprofil der Gehalte von Ha, K, Mg,
AI und Fe spiegeln Erosionsereignisse und keine versauerungsbedingte
Mobilisierung dieser Elemente wider.
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