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Zusammenfassung Heft 4

 

Freiburger Bodenkundliche Abhandlungen

Schriftenreihe des
Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Schriftleitung: F. Hädrich


Heft 4


Ernst E. Hildebrand

Die Bindung von Immissionsblei in Böden

Freiburg im Breisgau 1974

ISSN 0344-2691

Zusammenfassung:

In vorliegender Arbeit wurde die Bindung und der Austausch des Elementes Blei an pedogenen Stoffgruppen untersucht, um Kriterien zur Beurteilung des derzeitigen Bleibelastungszustandes von Böden an Autobahnen und Fernstraßen zu erarbeiten. Dazu wurden in Modellversuchen isolierte Huminsäuren aus verschiedenen Böden, Oh-Humus eines Podsols, die Tonminerale Montmorillonit, Illit und Kaolinit und synthetisch hergestellte Fe-Oxide bei unterschiedlichem pH-Wert mit PbCl2-Lösungen behandelt. Die quantitative Bleifixierung und die Stabilität der resultierenden Adsorbens-Blei-Verbindungen wurden mit chemisch-analytischen und physiko-chemischen Methoden untersucht. Die dabei gewonnene Kenntnis zur pH-abhängigen Konfiguration der Huminsäure-Blei-, Tonmineral-Blei- und Fe-Oxid-Blei-Verbindungen ermöglichte die Formulierung von stoffgruppenspezifischen und pH-abhängigen Reaktionsmechanismen der Bleiadsorption und  -desorption. Diese Ergebnisse wurden durch Extraktionen von Bleifraktionen aus Boden- und bodenähnlichen Substraten ergänzt. Damit wurden gesicherte Hypothesen der Gesetzmäßigkeiten des Bleiumsatzes in Böden bzw. Ökosystemen erarbeitet. Im einzelnen konnte festgestellt werden:

1) H u m u s : Aufgrund ihrer natürlichen Anreicherung im Oberboden und ihrer Bleiaffinität erbringt die humose Substanz den höchsten Beitrag zur Immobilisierung des Immissionsbleis in Böden.
Der Einfluß der Humusform auf die Bleisorptionskapazität kann zu einem großen Teil auf den Polymerisationsgrad (Gehalt an säurefällbaren Huminsäuren und innerhalb dieser Fraktion Gehalt an Grauhuminsäuren) zurückgeführt werden. Als entscheidender Reaktionsmechanismus der Bleifixierung wird die koordinative Komplexierung an funktionellen Gruppen mit „einsamen" Elektronen betrachtet, die die Koordination des Bleis vervollständigen (z.B. Carbonyl-Gruppen). Daneben findet auch Bleisalzbildung an polaren Gruppen statt (z.B. Carboxyl-Gruppen). Entsprechend dieser Bindungsformen nehmen die Bleisorptionskapazität und die Stabilität der Humus-Blei-Verbindungen mit sinkendem pH-Wert ab. Ein Teil der organisch gebundenen Bleifraktion kann gemäß dem energetischen Niveau der vorherrschenden Komplex-Bindung durch starke Komplexbildner (z.B. AEDTE) aus den Bodensubstraten extrahiert werden.

2) T o n m i n e r a l e : Ihr Anteil an der Bleifixierung in Bodensubstraten ist wesentlich geringer als der des Humus. Er ist aber eindeutig erfaßbar und beruht auf einem pH-abhängigen. zweiphasigen Reaktionsmechanismus. Bei pH 7 und >7 bestimmen  chemische  Eigenschaften der Reaktionspartner die Bleiadsorption. Im Sinne einer Säure/Base-Reaktion wird Blei von SiOH-, A1OH- und A10H2-Gruppen der Mineraloberflächen nicht elektrolytaustauschbar aber säurehydrolysierbar gebunden. Dieser Vorgang ist von der Art der untersuchten Tonminerale unabhängig und bedingt die gemeinsam hohe Stabilität der Tonmineral—Blei-Verbindungen bei pH 7 und>7.
Bei pH<6,5 bestimmen physikalische Zustandsgrößen der Reaktionspartner die Bleiadsorption. Je nach Tonmineral wird Blei in unterschiedlichem Verhältnis an inneren und äußeren Tonmineraloberflächen aufgrund elektrostatischer Wechselwirkungen physisorptiv adsorbiert, wobei der pH-abhängige, elektrolytaustauschbare Anteil dem mineralspezifischen Verhältnis von Blei-, Zwischenschicht-und äußerer Oberflächenadsorption entspricht.
Wegen des fast identischen Ionendurchmessers von Blei und Kalium besteht für Montmorillonit und Illit bei niederer Bleiinitialsättigung aufgrund möglicher spezifischer Ecken- oder Kantenpositionen eine erhöhte Selektivität für Blei in Analogie zu Kalium. Darüberhinaus besitzt Illit eine gegenüber Montmorillonit stark erhöhte Bleiselektivität, die auf eine dem Kalium analoge, sterisch bedingte Sorptionspräferenz zurückgeführt werden kann.
In bleibelasteten, karbonatfreien Bodensubstraten überwiegt demnach aufgrund des schwach sauren - sauren pH-Wertes die physisorptive Bleibindung an Tonmineralen. Dies kommt auch in der negativen Korrelation zwischen % Ct(und pH) und der Bleiextraktionsausbeute durch Austauscherlösungen (z.B. NH4+ -Salze) zum Ausdruck.

3) F e-0 x i d e :   Amorphes  Fe-hydroxid, Goethit und Hämatit adsorbieren Blei aufgrund seiner Hydroxyl-affinität chemisorptiv unterhalb des isoelektrisehen Punktes in nicht elektrolytaustauschbarer Form. Die Höhe der Bleisorption scheint weniger von der Oxidform als von dem Verhältnis Oberfläche/Volumen der Oxide abzuhängen. Das Entstehen von kristallinen Fe-Pb-Mischoxiden ist im Boden nicht zu erwarten. Diese Bleibindung entspricht dem energetischen Niveau der chemisorptiven Bindung an Tonmineralen bei pH >7 und dürfte daher z.T. säurehydrolysierbar sein.
Neben den Stoffgruppen des Bodens beeinflußt der pH-Wert die Bindung des Bleis in hohem Maße. Mit zunehmender Basizität steigt die Extrahierbarkeit durch säurehydrolytisch wirkende Lösungen (z.B. Essigsäure). Diese Bleifraktion ist nicht spezifisch für bestimmte Stoffgruppen. Organische und mineralische Austauscher binden Blei bei neutralem bis schwach alkalischem Milieu gleichermaßen chemisorptiv an säurehydrolysierbaren Positionen.
Aus diesen Ergebnissen wird gefolgert, daß die Erniedrigung der Bodenazidität und die Zufuhr organischer Substanz oder eine Erhöhung der biologischen Abbauvorgänge die Immobilisierungsrate des Bleis im Boden erhöhen.
Die bevorzugte Akkumulation des Immissionsbleis im Oberboden führt zu einer hohen Abhängigkeit der Bleigehalte von der Zeitdauer der Bleiimmission.
Aus den Untersuchungsergebnissen wird gefolgert, daß eine Bleikontamination des Grundwassers durch Transport von Immissionsblei im Perkolationswasser bei Böden durchschnittlichen Entwicklungsgrades nicht anzunehmen ist. Dagegen ist mit einer vermehrten Einbeziehung von pedogen umgesetztem Immissionsblei in organische Staffkreisläufe zu rechnen. Dies ist teilweise bedingt durch die Mobilisierung und Aufnahme von Bodenblei durch Pflanzen.